Ehemalige Bergbrauerei
Einst versorgten zahlreiche Wirtshäuser die Bevölkerung mit „geistigen Getränken“, die von 1862 bis 2005, zumeist aus den Kesseln der Leimener Bergbrauerei geliefert wurden.
Die Brauerei wurde 1862 von Bierbrauer und Küfer Justus Endlich gegründet. 1883 wurde Justus Endlich Bürgermeister der Gemeinde Leimen (bis 1896). Dessen Sohn Ludwig Endlich übernahm die Brauerei.
Der Betrieb wechselte in den folgenden Jahren mehrmals den Besitzer, ehe der wirtschaftliche Niedergang durch Hugo Mayer umgekehrt werden konnte.
Im Jahre 1899 zog der am 15. April 1864 in Nußloch geborene Hugo Mayer nach Leimen und kaufte im gleichen Jahr die Bergbrauerei nebst Anwesen sowie die inzwischen abgebrochene Gastwirtschaft Gossenbrunnen in der Heltenstraße oberhalb des heutigen Schießstandes. Die Brauerei betrieb er fast 20 Jahre, bis er sie am 1. Oktober 1918 an die Familie Johann und Emma Geiser aus gesundheitlichen Gründen weiterveräußerte.
Hugo Mayer war jüdischen Glaubens. Er und seine Ehefrau Karoline Mayer, geb. Bierig (geb. am 02.12.1879) wurden am 22. Oktober 1940 nach Südfrankreich deportiert. Hugo Mayer kam 1942 in Südfrankreich um, seine Frau Karoline wurde in Auschwitz ermordet. Tochter Friedel und Sohn Gustav emigrierten 1937 in die Vereinigten Staaten von Amerika, der jüngste Sohn Kurt emigrierte 1939 nach Manchester, Großbritannien.
Bergbräu hieß das Bier, Bergbrauerei das Unternehmen.
Unterbrochen vom Zweiten Weltkrieg standen fortan die Zeichen auf Expansion. Das Brauereigelände wurde vergrößert, der Maschinenpark erneuert. In den 1950er und 1960er erhielt die Brauerei ihr heutiges Gesicht: Das neue Sudhaus entstand, ebenso die neue Flaschenabfüllerei in der Nußlocher Straße.
2005 versiegte der Fluss des gleichermaßen klaren wie unfiltrierten Gerstensafts. Es war die Zeit des landesweiten Brauereisterbens: Für eine Hausbrauerei waren die Leimener zu groß - und zu klein, um den Kampf gegen die großen Getränkekonzerne bestehen zu können.
Nachdem die Brauerei „unrentabel“ geworden war, wurde der Familienbetrieb zum 1. Oktober 2005 eingestellt. Die kupfernen Braukessel wurden an die New Glarus Brewing Company in Wisconsin, USA verkauft.
Die frühere Bergbrauerei erwacht zu neuem Leben
Von Thomas Frenzel
Kreative Köpfe haben ihr Domizil aufgeschlagen - Erbin schwebt Kolonie für Handwerker und Künstler vor – Sanierung des Brauerei-Ausschank steht an
Leimen. Jeder kennt sie und dennoch ist sie so etwas wie ein weißer Fleck auf Leimens innerstädtischer Landkarte: die Bergbrauerei Leimen. Seit sie 2005 ihren Betrieb eingestellt hat, umgibt den frühere Braubetrieb mit dem unübersehbaren Sudhausturm der Ruf einer vernachlässigten Industriebrache. Doch dieser Schein trügt: Hinter den angejahrten Fassaden pulsiert wieder Leben, es entstand und entsteht eine Art Gewerbe- und Künstler-Kolonie.
Um die 30 Mietparteien haben inzwischen die Räume der alten Brauerei erobert, berichtet Ursula Stumpe-Lockheimer voller Stolz. Die Enkelin von Johann Geiser, der 1918 die im 19. Jahrhundert gegründete Brauerei erworben hatte, ist seit 2013 alleinige Geschäftsführerin der Bergbrauerei Leimen GmbH&CoKG. Als solche hat es sie sich zum Ziel gesetzt, das Familienerbe zu erhalten. Das sei sie auch dem Andenken ihres Vaters und späteren Ehrenbürgers Dr. Helmut Stumpe schuldig, der den Betrieb fortgeführt hatte.
Der Erfolg scheint ihr rechtzugeben. Kreative Köpfe haben hier ihre Ateliers eingerichtet, Handwerker ihre Werkstätten und Lager. Ein Modedesigner zog ein, auch ein Hochzeitsstudio, das weiß, was russischstämmige Brautleute für das wichtigste Fest ihres Lebens wünschen. Fans des Istanbuler Fußballvereins Fenerbahçe treffen sich in einem Clubraum. Und Leute wie der Importgeschäftsmann Sören Schelten schätzen die Möglichkeit einzulagern.
Herumgesprochen hat sich das weit über Leimen hinaus. „Wir bekommen inzwischen tierisch viele Anfragen“, sagt Stumpe-Lockheimer auch namens ihrer Hausverwaltung, „mehr als wir bedienen können“. Zu verdanken ist das auch den Quadratmetermieten, die im eher unteren einstelligen Bereich liegen. Was nicht zwingend verwundert: Der Charme der Industriebrache, der Charme des Unvollkommenen ist nach wie vor allgegenwärtig.
Aber es wird gehämmert, gebohrt und es werden Leitungen unterschiedlichster Art verlegt, wie aktuell im Sudhausturm von 1959. Seit die riesigen Kupferkessel in die USA verkauft wurden, klafften teils gewaltige Löcher in den Geschossdecken. Sie werden nun eins nach dem anderen geschlossen. Eine Siebdruckerei hat bereits Interesse an dem großen Schaufensterraum bekundet. Dessen ungeachtet heißt es an seinen Zugängen: „Betreten der Baustelle verboten!“
„Ich wünsche mir“, sagt Stumpe-Lockheimer, „dass eines Tages die Brauerei innen wie außen saniert ist“. Dass dies einer Kärrnerarbeit gleichkommt, ist ihr bewusst, seit sie das verwaiste Areal entrümpelte. Bewusst ist ihr auch, dass alles nur schrittweise machbar ist, des Geldes wegen. Alle Einnahmen werden umgehend in die Herrichtung gesteckt, sagt sie, die auf ein breitgefächertes berufliches Spektrum vertraut und ihr Lehramtsstudium als Gymnasiallehrerin für Geografie und Französisch praktizierte.
Wieviel sie sich vorgenommen hat, sagen Zahlen. Das Brauereiareal im Karree von Helten- und Nußlocher Straße, von Engels- und Kapellengasse misst gut 5000 Quadratmeter. Manche Gebäudeteile datieren ursprünglich aus dem 19. Jahrhundert, so auch der denkmalgeschützte Brauerei-Ausschank aus den 1860er Jahren.
Sanierung des Brauerei-Ausschank
Das Gebäude in dem sich auch die Gaststätte Brauerei-Ausschank der Eheleute Mack befindet, steht unter Denkmalschutz. Mit der Firma Ibishi wurde ein Generalunternehmer gefunden, der sich in der Sanierung solcher Objekte auskennt. Hier entstehen 6-8 Wohnungen mit modernster Ausstattung hinter der altehrwürdigen Fassade des Brauerei-Ausschank im Ortskern von Leimen.
Ein entsprechender Bauantrag wurde bereits mit dem Denkmalschutzamt abgestimmt und genehmigt.
Aber auch sonst stehen noch einige Projekte an. Wichtigstes aktuelles Thema ist der Brandschutz. Mit der Firma San José aus Heidelberg wurde ein Ingenieurbüro, welches sich auf den Brandschutz spezialisiert hat, mit der Umsetzung betraut.
Zudem gibt es noch jede Menge Räume, die entkernt und neu hergerichtet werden müssen, um sie einer Vermietung zuführen zu können.
Bei dem Backsteinbau im hinteren Bereich des Brauereigeländes gibt es höchst interessante Räume, die für Ausstellungen geeignet wären, doch auch hier ist vorher eine Generalsanierung erforderlich.
Es gibt also noch jede Menge zu tun, und es bleibt spannend, wer sich alles noch in dem alten Gemäuer niederlassen wird.
Eine neue Ära
Heute ist die ehemalige Brauerei ein lebendiger Ort, an dem sich eine bunte Gemeinschaft aus Künstlern, Handwerkern, Dienstleistern und Gastronomie angesiedelt hat. Das gutbürgerliche Restaurant im Brauereiausschank lädt zum Genuss deutscher Küche in historischem Ambiente ein.
Handwerk und Kreativität
Die Räumlichkeiten beherbergen nun Ateliers, Werkstätten, Lagerräume und Handwerksbetriebe, in denen Handwerker und Dienstleister ihrer Arbeit und Künstler und Kreative ihrer Leidenschaft nachgehen. Diese lebendige Mischung aus Tradition und Innovation macht die Bergbrauerei zu einem einzigartigen Ort der Begegnung und des kulturellen Austauschs.
Die Bergbrauerei Leimen ist ein Beispiel dafür, wie aus einer Industrieruine neues Leben erwachsen kann - getragen von der Kreativität und dem Engagement einer bunten Community.
Historischer Überblick/Firmengeschichte
1862 wurde die Bergbrauerei Leimen wurde von Justus Endlich aus Diedesheim gegründet, der auch bis 1896 Bürgermeister von Leimen war.
1891 erwarb der Heidelberger Fabrikant Klotz die Brauerei und verkaufte sie
1892 an einen Brauer namens Rieger aus Arnstadt.
1897 wurde sie an Herrn Werlein aus Eberbach verkauft, bis sie schließlich
1899 an Hugo Mayer aus Leimen überging, der sie bis 1918 führte.
1918 erwarben Hans Geiser und seine Frau Emma, geb. Hohenstatt die Brauerei, deren
Sohn mit ins Geschäft eintrat und bis zu seinem tödlichen Unfall 1964 die Geschäftsleitung mit seinem Vater inne hatte.
1964 trat der Schwiegersohn, Dr. Helmut Stumpe, die Geschäftsführung bis zur endgültigen Stilllegung des Produktionsbetriebes im Jahr 2005 an.
2013 Die Enkelin von Johann Geiser tritt das Erbe der stillgelegten Brauerei an und siedelt dort Gewerbe und Künstler an. Es entsteht ein kleines innerstädtisches Gewerbe- und Künstlerzentrum mit mittlerweile 15 Betrieben und 5 Künstlern.
Seit die Brauerei im Besitz der Familie Geiser stand, sind das Brauereiareal vergrößert und die Produktionsanlagen modernisiert worden.
Nach dem Krieg, im Jahr 1959, wurde das Sudhaus neu gebaut, 1963/64 die Flaschenfüllerei, 1969 das Bürogebäude und 1976 der Gärkeller.
1981 war völlige Erneuerung der Flaschenfüllerei nötig geworden.
